Geschichte 1792 bis 1803

Festung Königstein

Mit dem Bau der großen Bastionen war die Festung Königstein ungefähr um 1660 vollendet. Es kamen praktisch keine weiteren Bauteile mehr hinzu.

Um 1790 galt die Festung als veraltet und teilweise baufällig. Etwa 50 Soldaten bewachten eine Handvoll Gefangene des Kurfürsten von Mainz, die wegen ganz unterschiedlicher Vergehen hier einsaßen. Einige der alten Renaissance-Schlossräume waren zu Gefängnisräumen umfunktioniert worden. Die Festung war also quasi ein ‚Staatsgefängnis‘ des Kurfürstentums Mainz.

Schon vor 1793 war die Festung Königstein Staatsgefängnis des Kurfürstentums Mainz: In den 80ger Jahren saß ein prominenter Despot hier in Haft (links). – Grundriss der Festung um 1790/1795: zeitgenössischer Plan (Mitte). – Idealtypische Rekonstruktion der Festung Königstein um 1790/1795 (rechts). 

‚Jahre des Donners‘: Die Festung 1792 bis 1796

 Die 1792 bereits ‚betagte‘ Festung Königstein geriet in den Strudel der internationalen militärischen wie politischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und den deutschen Staaten und Fürstentümern, die Krieg gegen die neue Republik Frankreich führten.

Erst in den letzten vier Jahren ihrer Existenz als Festung wurde die Festung Königstein international bekannt, erst durch diese Ereignisse wurde sie zu einem überregional bedeutenden Kulturdenkmal und Erinnerungsort.

 

‚Die letzte Festung‘: Vom 25. Oktober 1792 bis zum 7. März 1793

Am Sonntag, den 25. Oktober 1792, sahen sich der Kommandant und die Wachsoldaten des ‚Staatsgefängnisses Festung Königstein‘ plötzlich einer großen Abteilung der französischen Revolutionsarmee unter Führung gegenüber, die die Übergabe der Festung forderten. Aufgrund der geringen Besatzung der Festung, etwa 50 Soldaten, und der untauglichen Festungsartillerie räumte die kurmainzische Garnison die Festung und überließ sie den Franzosen. Die zogen mit mehr als 400 Mann unter ihrem Kommandanten Capitain Meynier in die Festung, brachten Artillerie mit und setzten die Festung in Stand. Ihnen war klar, dass früher oder später vermutlich preußische Truppen auftauchen und die Herausgabe der Festung verlangen würden.

So kam es auch: Am 6. Dezember 1792 brachten sich mehr als 5.000 Soldaten samt Artillerie rund um Königstein in Stellung. Capitain Meynier wurde zur Übergabe aufgefordert, die er verweigerte. Es folgte eine mehrtägige Beschießung, in deren Verlauf zwar die Festung kaum getroffen wurde, aber fast 80 Prozent der Häuser Königsteins in Flammen aufgingen. Nach dem 8. Dezember musste der größte Teil der Königsteiner zu Verwandten und Freunden in den umliegenden Dörfern und Städten ausweichen: Königstein existierte praktisch nicht mehr!

Bis zum März 1793 folgte eine Belagerung, die von Scharmützeln und Ausbruchsversuchen unterbrochen wurde. Erst am 7. März 1793 ergaben sich die Franzosen und wurden in preußische Gefangenschaft abgeführt.

Preußische Soldaten und die kurmainzische Verwaltung nahmen die Festung wieder in Besitz.

Collagebilder: Ankunft der preußischen Armee am 6. Dezember 1792 vor der Festung Königstein (links oben). – Brand der Stadt Königstein am 7. Dezember 1792 nach preußischem Artilleriebeschuss (rechts). – Kupferstich: Kapitulation der französischen Besatzung am 8. März 1793 vor preußischem Militär. 

8. März 1793 bis 8. April 1793

Zunächst wurde Inventur gemacht und der Waffenbestand erfasst. Kurz darauf muss die Entscheidung gefallen sein, die Festung als Gefängnis für die zunehmend in Rheinhessen verhafteten Mainzer Demokraten zu verwenden. Ihre Zahl allerdings konnte man damals noch nicht abschätzen.

Eine Festung allerdings in ein Gefängnis größeren Ausmaßes zu verwandeln, war – zudem in kurzer Zeit – praktisch nicht möglich: Die relativ großen und zum Teil baufälligen Räume in den Etagen des Schlosses auf dem Berggipfel waren die Zimmer der alten Renaissance-Residenz des 16. Jahrhunderts und nicht als Gefängniszellen geeignet.

 

Rekonstruktion der Festung im März 1793: Anmutung der Zerstörungen durch preußische Artillerie vom Dezember 1792.

Das ‚Gefängnis der ersten Demokraten‘ vom 8. April 1793 bis zum 21. September 1795

 Am 8. April 1793 kamen nachmittags gegen fünf Uhr die ersten knapp 60 politischen Gefangenen am Festungstor an: Sie hatten einen brutalen Fußmarsch von der Frankfurter Hauptwache aus nach Königstein hinter sich, verhöhnt und gequält von umstehenden Passanten und dem begleitenden Militär. In den nächsten Monaten kamen immer mehr Gefangene hinzu. Insgesamt waren hier zwischen April 1793 und September 1795 etwa 250 politische Gefangene inhaftiert, also rund ein Viertel aller politischen Gefangenen aus dem Umfeld der ‚Mainzer Republik‘, die ansonsten über mindestens acht weitere Gefängnisorte in Deutschland verstreut waren.

Ihre Anzahl schwankte in den folgenden rund zweieinhalb Jahren, die meisten wurden Anfang 1795 nach Frankreich als Emigranten entlassen. Einige wenige wurden erst am 21. September 1795 freigesetzt.

Festung Königstein, Rekonstruktionen des „Gefängnisses der ersten Demokraten“ 1793/1795: Blick in den Innenhof des Schlosses; Vogelperspektive auf den Ostflügel des Schlosses, in dem die meisten politischen Gefangenen untergebracht waren. 

Nach dem politischen Gefängnis: Das Ende der Festung

Als im September 1795 die französische Revolutionsarmee über den Taunus Richtung Frankfurt vorstieß, mussten die österreichischen Soldaten, die in diesem Jahr die Festung besetzt hielten, und die kurmainzische Verwaltung ‚das Feld räumen‘. Man entließ einfach die restlichen Gefangenen in die Freiheit: Es blieb ihnen überlassen, wie sie sich unter diesen Kriegsbedingungen nach Hause durchschlugen.

Die Franzosen blieben bis Mitte Oktober 1795, nicht ohne Königstein geplündert zu haben, wurden wieder durch österreichische Soldaten ersetzt, kehrten im Sommer 1796 zurück und übernahmen erneut die Festung. Auf ihrem abermaligen Rückzug Richtung Norden entschied die französische Armeeführung, die Festung Königstein zu sprengen und sie so für die Zukunft für alle Kriegsparteien unbrauchbar zu machen. Die Sprengung am 7. September 1796 gelang nur an wenigen Stellen: Die Dächer des Schlosses wurden beschädigt, die meisten Befestigungen und Kasernen blieben intakt.

Der Mainzer Kurfürst ließ nach dem abermaligen Verschwinden der Franzosen eine Kostenschätzung für Reparaturen und eine militärische ‚Ertüchtigung‘ erstellen. Doch nur wenige Monate später, im Verlauf des Jahres 1797, erlaubte ein französischer Kommandant bei der abermaligen Besetzung Königsteins den Königsteiner Bürgern, Teile der Festung als Baumaterial für den Wiederaufbau der Stadt zu ersteigern.

So verschwanden etliche Gebäude der Festung in den folgenden Jahren und Jahrzehnten nicht durch militärische Einwirkung, sondern durch den planvollen Abriss durch die Königsteiner Bürger selbst:

Ein Teil der Festung steckt bis heute in den Gebäuden entlang der Königsteiner Hauptstraße, ein Teil wurde als Material für den Straßenbau Richtung Glashütten verwendet.

Mitte des 19. Jahrhunderts war die ‚Kriegsruine‘ Festung Königstein bereits mit Sträuchern und Bäumen bewachsen und wurde nun als ‚romantische Ruine‘ wahrgenommen. Es dauerte nicht lange, bis die Erinnerung an das politische Gefängnis verblasst war. Im Zuge der Romantik wurde nun aus der Festung eine ‚Burg‘: Gerne erinnerte man sich vor Ort an die vermeintlich glorreichen Jahrhunderte des Mittelalters und der Renaissance, weniger gerne an die Auseinandersetzungen zur Zeit der Französischen Revolution.

In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann der Königsteiner Burgverein mit dem alljährlichen ‚Burgfest‘ und installierte außerdem die folkloristische Tradition des ‚Königsteiner Burgfräuleins‘. So ist es heute noch.

Die Erinnerung an das ‚Gefängnis der ersten Demokraten‘ wird erst seit 2016 wieder ins Gedächtnis gerufen: Der Verein ‚Neuer Königsteiner Kreis e.V.‘ weist im Rahmen seines Projektes ‚Festung Königstein – Ort europäischer Demokratiegeschichte‘ auf das ‚Gefängnis der ersten Demokraten‘ in vielen Publikationen hin. Das Burg- und Stadtmuseum widmet dem Thema eine eigene Ausstellung. Die Stadt Königstein verschweigt die Existenz dieses politischen Gefängnisses. 

Die Festungsruine ist in den letzten Jahrzehnten für Veranstaltungen aller Art ertüchtigt worden. Unter dieser Fokussierung haben in den letzten Jahrzehnten bis vor kurzem der Denkmalschutz und die historische Forschung gelitten. 

Bisher ist allein die Geschichte des politischen Gefängnisses im Detail erforscht und in Büchern nachzulesen. Die Jahrhunderte davor sind nur in Umrissen bekannt, die archäologischen Ausgrabungen auf der Festungsruine sind bis heute nicht ausgewertet. Die Festungsruine Königstein zählt in Hessen zu den am wenigsten erforschten und am schlechtesten gepflegten historischen Anlagen.

Kultur- und demokratiehistorisch betrachtet zählt sie zu den wichtigsten Stätten deutscher bzw. deutsch-französischer Demokratiegeschichte in Deutschland. Sie erfüllt historisch betrachtet die Kriterien eines ‚Europäischen Kulturdenkmals‘.

 

Anmutung der versuchten Sprengung der Festung am 7. September 1796 (links). – Ansicht der Festungsruine Königstein: Kupferstich aus dem Jahr 1803 (rechts). 

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